Review: 1917 – The Alien Invasion DX – Wer braucht schon einen Fluxkompensator?

Abgefahrenes Ballerspiel aus Deutschland

© Andrade Games

Zugegeben, wenn mir Andrade Games keinen Review-Key zukommen hätte lassen, wäre 1917 – The Alien Invasion DX vielleicht an mir vorbeigegangen – und damit auch ein großartiger, psychedelischer Trip in ein düsteres Alternativweltuniversum voller WTF-Momente.

Der Begriff „Pixel-Art“ trägt für mich mittlerweile einen faden Beigeschmack – und das obwohl ich mit verpixelten Meisterwerken wie Indiana Jones and the Fate of Atlantis groß geworden bin. Moderne Indie-Spiele locken mit Retrografiken und Dudelsounds, um dich in deine Kindheit zurückzuversetzen – nur, wenn ich mir beispielsweise die extrem hässlichen Charaktere aus Superbrothers: Sword & Sworcery EP anschaue, tut sich bei mir gar nichts. So einen Quatsch hätte ich als Kiddo niemals gespielt. Und das ist nur ein Beispiel von tausenden. Steam wird regelrecht überflutet mit „Hipster-Pseudo-Retro-Grafik-Spielen“, die nur an deine unschuldige Kindheit wollen!

1917 – The Alien Invasion DX allerdings zeigt, dass nicht alles verloren ist. Dass es noch Entwickler gibt, die vermutlich Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger mit den gleichen Spielen wie ich aufgewachsen sind. Die auch heimlich 3,5-Zoll-Disketten mit id-Software-Spielen Pausenbrot mampfend auf dem Schulhof weitergegeben haben. Auch wenn der Kopf von Andrade Games damals vielleicht keine beschlagnahmten und indizierten Games mit Klassenkameraden getauscht hat, so weiß er trotzdem, was die Essenz eines Spiels aus der frühen 90s-Ära ausmacht.

© Andrade Games, Screenshot Boobs and Bullets

Nostalgieflash der Extraklasse

Wenn du 1917 spielst, machst du unweigerlich eine Zeitreise – und damit meine ich nicht das von blutrünstigen Aliens übernommene Alternativweltuniversum des Ersten Weltkriegs, in dem sich das fordernde Shooting Game abspielt. Du fühlst dich so, als ob du da gerade vor einem Amiga oder einem 386er sitzt und ein obskures Game zockst, das du aus den Tiefen Papas „geheimer“ Diskettenbox gefischt hast. Ich kann gar nicht sagen, welches moderne Spiel zuletzt so einen Nostalgieflash in mir auslösen konnte.

Im Shmup schlüpfst du in die Rolle von Doktorin Brunhild Stahlmüller, einer bemerkenswerten Waffenforscherin, der es gelingt, eine Fokker Dr. I mit modernster Alienwaffentechnologie auszustatten. Es liegt allein an Frau Stahlmüller, die drohende Alieninvasion abzuwenden, um die Menschheit vor der völligen Vernichtung zu retten. So ballerst du dich durch acht kniffelige Stages, um dich am Ende dem grottenhässlichen Anführer der Außerirdischen zu stellen.

© Andrade Games, Screenshot Boobs and Bullets

Gesellschaftskritische Töne

Normalerweise ist mir die Story in einem Ballerspiel völlig egal – ich will nur zu treibender Musik Kugeln ausweichen und allerhand Gegner ins Nirwana befördern. Das abgefahrene Abenteuer von Frau Doktorin Stahlmüller hat mich allerdings auch darüber hinaus in seinen Bann gezogen – es bildet ein rundes Gesamtpaket, das gegen Ende sogar ein paar nachdenklich stimmende, gesellschaftskritische Töne anschlägt. Also: nicht einfach wie ein Banause die Ladebildschirme wegdrücken – hier wird wirklich etwas Lesenswertes geboten!

Spielerisch vermischt 1917 – The Alien Invasion DX Elemente klassischer Shoot‘ Em Ups mit Bullet-Hell-Shootern, wobei letzteres nur für den Style ist – waschechtes Danmaku-Gameplay mit „Bullet Canceling“ oder ähnlichem wirst du in 1917 nicht finden. Dafür kann der Shooter aus Heidelberg mit einem wirklich suchterzeugenden Scoring-System „punkten“. Am Anfang und Ende jeder Stage gibt es Combo-Locker und -Unlocker. Wenn du dich geschickt anstellst, kannst du damit eine Wahnsinns-Combo aufstellen, die sich durch alle acht Stages zieht!

© Andrade Games, Screenshot Boobs and Bullets

Erfrischend abwechslungsreich

1917 kann mit insgesamt vier ungewöhnlichen Schiffen aufwarten, zwei davon sind von Beginn an auswählbar, die anderen zwei müssen erst noch freigeschaltet werden. Alle Schiffe haben aber etwas gemeinsam: mächtiges Sekundärfeuer. Gerade spätere Stages lassen sich nur meistern, wenn du richtig mit dem gewöhnungsbedürftigen aber verheerenden Sekundärfeuer umgehen kannst. Dem Spiel verleiht das Ganze eine gewisse strategische Tiefe, die das Gameplay erfrischend abwechslungsreich machen.

Richtig genial ist die Soundkulisse von 1917 – The Alien Invasion DX: rotzige Explosionen, übersteuert und kratzig klingende Sprachausgaben, grollend donnerndes Sekundärfeuer und ein hypnotisierender Soundtrack, der Elemente aus Dark- und Synth-Wave vereint – ein junger Rudy Ratzinger hätte es vermutlich nicht besser hinkriegen können.

© Andrade Games, Screenshot Boobs and Bullets

Fazit

1917 – The Alien Invasion DX ist ein bockschweres Shoot‘ Em Up, das sich durch ein eigenwilliges Setting, eine fantastische Soundkulisse und die nostalgisch machende Pixelgrafik in mein Herz geballert hat. Wenn du die Toaplan-Ära mal wieder kurz aufleben lassen willst, dann gib dem deutschen Shooter eine Chance – die fünf Euro wirst du ja berappen können. Wo sonst kannst du abscheuliche Endgegner vom Himmel holen, die Namen wie „Brain Fuck Machine – Geistestum Zerstörer Knecht“ tragen. Hä? Hä?

1917 – The Alien Invasion DX

Wertung: 8/10
Publisher: OtakuMaker.com
Entwickler: Andrade Games
Plattform: Windows-PC
Preis: 4,99 Euro

Für den Test wurde ein kostenloser Review-Key von Andrade Games zur Verfügung gestellt. Alle Screenshots wurden selbst angefertigt.

Thomas
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