
„Was? – Eine Barista-Simulation! – Was? – Eine… – Waaaaaaaaas? – Eine Ba-ri-sta-si-mu-la-tion! -Was? – Okay, nochmal gaaaaanz langsam…“
In Coffee Talk stehst du hinter der Theke eines kleinen Cafés, und bereitest Heißgetränke zu. Dabei erzählen dir die Leute von ihren Sorgen. Um diese Gespräche geht es eigentlich. Wer jetzt an den Adventure-Geheimtipp Va-11 Hall-A denken muss, der liegt genau richtig.

Schwarz und heiß
Wir sind im Seattle des Jahres 2020. Nun, nicht ganz. Hier gibt es Elfen, Zwerge, Trolle und allerlei Fabelwesen, die ganz normal unter uns leben. Als anonymer Barista betreibst du das Lokal Coffee Talk. Dialogoptionen gibt es dabei keine. Die Gespräche plätschern automatisch vor sich hin.
Deine einzige Eingriffsmöglichkeit ist das Kaffee-Minispiel. Eine Kaffeespezialität setzt sich aus drei Komponenten zusammen: gewissermaßen Basis, Kopfnote und Herznote. Neu entdeckte Rezepturen werden automatisch ins Rezeptbuch eingetragen. Dabei führt dich eine Art Tutorial langsam an die Geheimnisse der Braukunst heran. Zu Anfang sind schlicht nicht alle Zutaten vorhanden, weil der Lieferant geschlafen hat. Erst im Laufe des Spiels ergeben sich sämtliche Möglichkeiten des Barista-ism.

Die hohe Kunst des Zuhörens ist es nun, aus dem Gespräch mit dem Kunden herauszuhören welche Tassenfüllung er möchte, und dann das Gewünschte zuzubereiten. Nicht jeder Kunde bestellt klar verständlich. Hast du das richtige Getränk zubereitet, ist der Kunde glücklich, bleibt länger, das Gespräch nimmt einen anderen Lauf. Das lädt zum Experimentieren ein, und glücklicherweise darfst du jederzeit speichern.

Fill me up
In Sachen Präsentation wird sehr wenig geboten, jedoch wirkt das Spiel dadurch umso stärker. Die Optik erinnert an Amiga-Standbilder, wobei die Figuren und Gesichter einen leichten Anime-Einschlag aufweisen. Draußen am Fenster tropft unablässig der Regen. Schattenhafte Gestalten ziehen gebückt vorbei, einige mit Hörnern oder Schweifen. Dazu klimpert ein entspanntes Jazz-Piano. Mehr braucht es nicht, um eine überraschend dichte Atmosphäre zu erzeugen. Die PS4-Datei ist keine 500 MB groß.

Das Herzstück des Spieles sind natürlich die Dialoge. Gleich zu Beginn trennt sich ein Liebespaar aus Troll und Elf , weil sie nicht mit seiner Unsterblichkeit klarkommt. Später unterhalten sich ein Vampir und ein Werwolf darüber, ob der Konsum von künstlichem Blut den Vampir gewissermaßen zum Veganer machen würde – herrlich!

Kürbis-Soja-Latte vegan
Die Seele der Bar ist die grünhaarige Freya, die du sicherlich schon als Titelgirl angehimmelt hast. Die Träger ihres Tank Tops sind immer leicht am rutschen, halten aber tapfer stand. Sie ist Journalistin und lauscht aus ihrer Ecke mit einem Ohr nach interessanten Stories. Manchmal werden ihre Artikel in die Ladebildschirme eingebaut, und so schlägt das Spiel auch den Bogen zu größeren Ereignissen in dieser Welt. Die orkischen Gastarbeiter streiken für mehr Lohn und weniger Rassismus, und eine mysteriöse Krankheit breitet sich in dieser Welt aus. Klingt vertraut? Ist es auch, soll es auch.

Zum Verständnis der Dialoge reicht einfaches Schulenglisch. Etwas deeper kommst du natürlich mit more experienceder Knowledge. So oder so sind die Texte ein Genuss! Hier hatte jemand Spaß am Schreiben und an der Popkultur. Auf Anfrage teilte mir der Publisher mit, dass eine deutsche Übersetzung durchaus möglich wäre, wenn es hierzu eine ausreichende Nachfrage gäbe.

Kaf-feh-trin-ken
Natürlich kannst du Coffee Talk vorwerfen, recht dreist von Va-11 Hall-A geklaut zu haben, und natürlich hast du damit recht. Aber das Konzept funktioniert einfach, und hier wurde es wunderbar umgesetzt. In meinen Augen ist Coffee Talk sogar noch etwas kompakter und schnörkelloser.

Einige Galerien und ein „Arcade-Kaffeekoch-Modus“ runden das Paket ab. Hier bekommst du, ähnlich wie in fast jedem Sega-Rennspiel, Bonus-Sekunden für den stetig herunterlaufenden Timer. Je besser dein Heißgetränk den Kundenwunsch trifft, desdo mehr. Trophäenjäger werden hier fluchen, denn für Platin musst du es bis zur fünfzigsten Tasse schaffen.

Leider ist Coffee Talk ein recht kurzes Erlebnis. Wenn du es durchgespielt hast, dann kannst du es lediglich noch einmal spielen und bewusst den Kaffee versauen um auf die Reaktion deiner Kunden zu geiern. Dennoch wird dir dieses Erlebnis nachhaltig im Gedächtnis bleihen. Und komm schon, der Download kostet nur 13 Euro.
Coffee Talk
Wertung: 8/10
Publisher: Chorus Worldwide
Entwickler: Toge Productions
Plattform: PS4, Switch, Steam
Preis: 13,99 (PS4), 12,99 (Switch), 13,99 (Xbox One), TBA (Steam). International ist die Switch-Version auch physisch erhältlich. Hier kannst du dir die kostenlose PS4-Demo reinziehen
Für den Test wurde ein kostenloser Review-Key vom Publisher Chorus Worldwide zur Verfügung gestellt. Alle Screenshots wurden selbst angefertigt.
- Review: Gynoug - 16. November 2021
- Review: Gleylancer - 19. Oktober 2021
- Review: Demon’s Souls – In Schönheit sterben - 29. Juli 2021