
Das Mega Drive Mini erscheint heute in Deutschland – allerdings mit einigen unnötigen Schwächen. So bekommen wir in Europa eine – aus Sicht des Hardcorezockers – deutlich abgespeckte Spieleauswahl.
Auch die Entscheidung zu Drei-Button-Pads stößt bei Eurozockern auf wenig Verständnis. Die volle Sechs-Button-Action und Kracher wie Slap Fight und Alien Soldier gibt es nur in Übersee. Boobsie hat alle Mühen, aber keine Kosten gescheut um eines der begehrten Asia-Geräte zu bekommen.

Das Gerät wurde in enger Zusammenarbeit mit den Konvertierungs-Profis von M2 entwickelt und gebaut. Über allem steht die Maxime, jeder Region ihr damals typisches Mega Drive-Erlebnis zu ermöglichen. Leider führt dies auch zu unangenehmen Nebeneffekten wie den europäischen drei Buttons.

Besonders seltsam erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass Europäer die Championship Edition von Street Fighter II bekommen, Asiaten jedoch nicht. So hat der Osten sechs Buttons am Pad, der Westen jedoch ein Spiel, dass diese Buttons bräuchte. Wenn es zu deinen liebevoll gehegten Mega Drive-Erinnerungen gehört mittels Start zwischen Punch und Kick umzuschalten, dann will ich daran jedoch nicht rütteln.

Doch genug der Marktpolitik, zurück zum Gerät. Schon beim Schachteldesign zeigt sich M2s Perfektionismus. Japaner bekommen ihr Japan-Design, Europäer ihre Europalette. US-Geräte heißen selbstverständlich Genesis.

Doch damit ist die Detailverliebtheit noch lange nicht zu ende! Nintendo hat seine Minis seinerzeit ausschließlich mit US-Versionen bestückt. Das war etwas ärgerlich für jene Zocker, die mit den deutschen Texten von Zelda A Link to the Past, Secret of Mana oder Kirbys Adventure aufgewachsen sind. Ich fand es andererseits erfrischend, diese Spiele mal in einer anderen Sprache kennenzulernen und NICHT das wenig beliebte Geschreibsel von Claude Moyse ertragen zu müssen.

Doch warum nicht beides? Wofür Nintendo zu geizig war, das ist bei M2 selbstverständlich. Beim ersten Einschalten des Geräten darf ich eine von zahlreichen Sprachen wählen, darunter auch englisch und deutsch – wir spielen immer noch auf einem Asia-Gerät, wohlgemerkt!

Heißt: Wenn du das Gerät auf deutsch stehen hast kannst du bei Landstalker die für damalige Verhältnisse hervorragende deutsche Übersetzung genießen. Nimm das, Virtual Console in englisch und 50 hertz! Mehr noch: Contra Hard Corps heißt bei deutscher Einstellung Probotector, inklusive Roboter-Sprites und geändertem Titelbild.

Leider hat diese Anpassung aber ihre Grenzen. Langrisser II bleibt in allen Varianten streng japanisch, einfach weil es bis dato noch keine offizielle Übersetzung von dem Spiel gibt. Was soll’s, ich hatte eh vor dort auf das Switch-Remake zu warten.

Auch hätte ich es mir gewünscht, die Länderversion jedes Spieles separat festzulegen. Das geht leider nur „global“ im Optionsmenü des Gerätes. Das Sixbutton-Pad hat dafür eine eigene Schultertaste, die jederzeit und ohne Ladepause das Hauptmenü aufruft. Hier kannst du auch für jedes Spiel bis zu drei Savestates anlegen. Europäer müssen den Start-Button für fünf Sekunden gedrückt halten, oder sich zum Reset-Schalter an der Konsole bequemen.

Schwerer wiegt der japanische Text schon bei den „Value Games in a Can“, einer Minispielsammlung des Sega Channel, eines frühen Onlinedienstes über TV-Kabel (jup, Segas Dreamcast war NICHT die erste onlinefähige Spielkonsole.

Wie sieht das Gerät nun von außen aus? Hier sprachen frühe Reviews von einer „modellbaugleichen Detailverliebtheit“. Dies kann ich nicht ganz bestätigen. Wie auch die Minis von Nintendo und Sony handelt es sich hier um eine massenproduzierte Plastik-Kiste.

Der Power-Knopf fühlt sich sogar leicht klapperig an. Beim Aufschrauben fällt auf, dass er als Führung für einen winzigen und kaum stabilen Dipschalter dient. Hier hätte ich mir eine stabilere und langlebigere Lösung gewünscht.

Witzig ist die Möglichkeit den Modulschacht zu öffnen und die kleine Klappe an der Unterseite zu entfernen, welche den Anschluss für das Sega CD verbirgt. Da sich beide Spielmöglichkeiten aber extrem klapperig anfühlen, wird wohl kaum ein Modellbauer oft damit spielen.

Wer will kann sich allerdings mit diesem – leider nur in Japan erhältlichen – Ergänzungsset aus Sega CD und 32X die volle Experience bauen. Leider wirken sich die Add-Ons nicht auf die Spielebibliothek aus. Angeblich hat M2 dieses Feature zwar geplant, es war in der Umsetzung aber dann doch zu teuer und aufwendig. Mit Mini-Genesissen ist der Tower of Power allerdings nicht kompatibel – wegen dem von M2 in US-Form modellierten Modulschacht, versteht sich.

Kommen wir wieder zu den Spielen. Ein besonderes Schmankerl dürfte Slap Fight sein, welches sich im Original und einem speziellen Remake auf dem Gerät befindet – inklusive Musik von Yuzo Koshiro, welcher auch die Menümusik beigesteuert hat.

Mit Thunder Force III und Musha Aleste ist die Shmup-Front damit solide bedient. Ich persönlich hätte mir noch Eliminate Down und ganz besonders Gleylancer gewünscht.

Europäer müssen dafür Earthworm Jim und Toejam & Earl spielen. Sicherlich ikonische und wichtige Titel, aber mit Verlaub schlecht gealtert.

Eine – bis auf die Bildschirmgröße – Arcade-perfekte Umsetzung von Darius, und ein klassisches Tetris stellen die zwei Bonusspiele dar. Beide Titel wurden damals fertiggestellt, aber nie veröffentlicht. Speziell auf Tetris hätte ich gut verzichten können, da das Spiel außer seinem Kuriositätenstatus nichts vorzuweisen hat.

Mein Fazit: Sieg auf ganzer Linie. Segas Mini wischt mit den Modellen von Sony und Nintendo mal eben den Boden auf. Ich bin allerdings wirklich froh, etwas mehr Geld in die Hand genommen und ein Asia-Gerät geholt zu haben. Mehr Buttons und bessere Spiele kompensieren den Aufpreis locker.
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